Abbiege- und Überholvorgänge im Straßenverkehr bergen große Risiken und verlangen daher größte Aufmerksamkeit von allen Verkehrsteilnehmern. Die doppelte Rückschaupflicht und eine unklare Verkehrssituation spielten in einem vom LG Lübeck kürzlich entschiedenen Fall eine Rolle.

Dem Urteil des LG Lübeck vom 28.09.2023 – Aktz. 15 O 46/23 – lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am Tag vor Heiligabend 2021 kam es auf einer Landstraße im Lübecker Umland zu einem Verkehrsunfall. Ein Auto überholte einen Trecker mit Anhänger, der Trecker bog in diesem Moment links ab und das Auto landete im Graben. Über den genauen Unfallablauf herrscht Uneinigkeit – vor allem zu der Frage, ob der Treckerfahrer vor dem Abbiegen geblinkt hat. Die Fahrerin des Autos verlangte nun vor dem Landgericht Lübeck den Ersatz des Schadens.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, die Autofahrerin könne 2/3 ihres Schadens von dem Treckerfahrer ersetzt verlangen. Dieser habe offensichtlich gegen die „doppelte Rückschaupflicht“ verstoßen. Derjenige, der links abbiegen wolle, habe vor dem Einordnen und nochmals direkt vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Hätte der Treckerfahrer diese Regelung befolgt, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen.

Doch auch die Fahrerin des Autos habe sich nicht korrekt verhalten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass der Treckerfahrer nach links geblinkt habe. Dies bestätigte ein Zeuge, der hinter den beiden Unfallbeteiligten fuhr. Es habe sich deswegen um eine unklare Verkehrssituation gehandelt, in der im Zweifel auf einen Überholvorgang verzichtet werden müsse. Aus diesem Grund habe die Klägerin 1/3 des Schadens selbst zu zahlen.