Kommt es wegen eines Sekundenschlafs zu einem Verkehrsunfall, so begründet dies nur dann den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, wenn sich der Unfallverursacher bewusst über von ihm erkannte Über­müdungs­erscheinungen hinwegsetzt. Nimmt er die Über­müdungs­erscheinungen nicht wahr, so begründet dies den Vorwurf einer einfachen Fahrlässigkeit. Dies hat das Oberlandesgericht Celle kürzlich entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall kam es in einer Nacht im März 2016 auf einer niedersächsischen Bundesstraße zu einem Verkehrsunfall. Ein Autofahrer war bei Nebel mit einer Geschwindigkeit von 75 km/h von der gerade verlaufenden Fahrbahn abgekommen und ohne zu bremsen oder auszuweichen in den Gegenverkehr geraten. Dort ist er frontal mit einem entgegenkommenden Sattelzug kollidiert. Es bestand nun Streit, ob dem Autofahrer wegen eines Sekundenschlafs grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Das Landgericht Lüneburg verneinte dies. Nunmehr musste das Oberlandesgericht Celle eine Entscheidung treffen.

Kein grob fahrlässiger Sekundenschlaf wegen fehlender Hinwegsetzung über Übermüdungserscheinungen

Das Oberlandesgericht Celle führte zum Fall aus, dass ein leichtes Einnicken (sog. Sekundenschlaf) nur dann den Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit begründet, wenn sich der Fahrer über von ihm erkannte Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt hat. Dies müsse positiv festgestellt werden. Die Regeln des Anscheinsbeweises gelten nicht. Ein Sekundenschlaf könne einfach fahrlässig nicht vorhergesehen werden, weil objektiv vorhandene Übermüdungserscheinungen subjektiv nicht wahrgenommen werden. Im vorliegenden Fall lasse sich nicht feststellen, ob der Autofahrer objektive Übermüdungsanzeichen ignoriert oder sich bewusst hierüber hinweggesetzt hat.

(Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 01.07.2020 Az. 14 U 8/20)