Kommt es beim Rückwärtseinfahren vom Parkplatz auf die Fahrbahn zu einem Verkehrsunfall, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Alleinverschulden des Ausparkenden. Dieser Anscheinsbeweis kann dadurch erschüttert werden, wenn es dem Ausparkenden gelingt nachzuweisen, dass er schon so lange auf der bevorrechtigten Fahrbahn stand, dass der fließende Verkehr sich auf ihn einstellen konnte. Dies hat das Oberlandesgericht Saarbrücken entschieden.
Dem entschiedenen Fall lag der folgende Sachverhalt zugrunde. An einem Nachmittag im Juni 2018 kam es im Saarland zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Toyota Aygo und einem Ford Fiesta. Die Fahrerin des Toyota fuhr aus einer auf dem Bürgersteig befindlichen Parklücke aus. Als sich der Pkw auf der Fahrbahn befand, kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Ford, der zu dieser Zeit auf der Fahrbahn fuhr. Die Toyota-Fahrerin sah sich nicht als Unfallverursacherin und erhob daher gegen die Ford-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherung Klage auf Zahlung von Schadensersatz. Die Klägerin behauptete schon einige Zeit auf der Fahrbahn gestanden zu haben als es zur Kollision kam. Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin.
Das Oberlandesgericht Saarbrücken bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Denn diese hafte allein für die Unfallfolgen. Es spreche der Beweis des ersten Anscheins für einen Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO und somit für ein Alleinverschulden der Klägerin. Dabei komme es nicht darauf an, ob ihr Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision gestanden oder sich in Bewegung befunden hat. Wer rückwärts ausparkt, habe nach der Vorschrift jede Gefährdung des fließenden Verkehrs auszuschließen.
Der Klägerin sei es nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht gelungen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Sie habe nicht beweisen können, dass sie bereits solange auf dem bevorrechtigten Fahrbahnteil gestanden hat, dass sich der fließende Verkehr auf sie einstellen konnte.