Urteile des Monats

Vertragshändlereigenschaft setzt Verzicht auf einen wesentlichen Teil der unternehmerischen Freiheiten voraus

Für eine analoge Anwendung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler ist erforderlich, dass sich der Vertragshändler für den Vertrieb der Erzeugnisse des Herstellers wie ein Handelsvertreter einzusetzen hat und Bindungen unterliegt, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind. Entscheidend ist, ob der Vertragshändler mit der Übernahme der Vertragspflichten sich eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begeben hat. Dies ist durch eine Abwägung im Einzelfall zu bestimmen. Gegen eine mit einem Handelsvertreter vergleichbare Stellung spricht, wenn der Händler nicht lediglich die vom Hersteller erworbenen Produkte an seine Kunden weiterverkauft, sondern er darüber hinaus auch Produkte des Herstellers nach eigenen Bedürfnissen verändert und sodann unter eigener Marke vertreibt, wobei es dem Händler überlassen ist, Art und Umfang dieses Geschäftsteils selbst zu bestimmen. Die für eine Analogie des Weiteren erforderliche vertragliche Pflicht zur Überlassung des Kundenstamms kann auch konkludent vereinbart werden; davon ist regelmäßig nicht auszugehen, wenn der Händler zwar Kundendaten an den Hersteller übermittelt, er aber ein entsprechendes Ansinnen des Herstellers hätte ablehnen können, ohne sich vertragswidrig zu verhalten, auch wenn das für ihn bedeutet hätte, keine weiteren Rabatte zu erzielen.
Urteil des OLG München vom 05. Dezember 2019 – Aktz. 23 U 2136/18

2020-04-08T14:21:41+02:0008.04.2020|

Relevanz des Sachvortrages für Rechtswegzuständigkeit

Nur wenn zwischen den Parteien Umstände streitig sind, die sowohl für die Rechtswegzuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend sind – sog. doppelrelevante Tatsachen, muss zur Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges kein Beweis erhoben, sondern es kann der klägerische Vortrag zu Grunde gelegt werden. Da die Zahlung von Arbeitsentgelt grundsätzlich auch auf Provisionsbasis zulässig ist und die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten damit allein einen Anspruch der Rückzahlung überzahlter Provisionen nicht ausschließt, ist das Fehlen der Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten kein notwendiges Tatbestandsmerkmal der von der Klägerin geltend gemachten Rückzahlungsansprüche, sodass die Bejahung des Anspruchs begrifflich nicht diejenige der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte mit einschließt. Eine durchzuführende Gesamtwürdigung sowohl der vertraglichen Gestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrages ist dann fehlerhaft, wenn für die Rechtswegentscheidung wesentliche, zwischen den Parteien streitige Umstände nicht aufgeklärt wurden.
Beschluss des OLG München vom 09.12.2019 - Aktz. 7 W 1470/19

2020-02-05T11:48:36+01:0005.02.2020|

Gegenseitige Rücksichtnahmepflichten beim Vertragshändlervertrag

Im Rahmen eines Vertragshändlervertrages bestehen gegenseitige Rücksichtnahmepflichten, aufgrund derer der Hersteller Bestellungen des Händlers nicht willkürlich ablehnen darf. Sind die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89b HGB im Rahmen eines dem deutschen Recht unterliegenden Vertragshändlervertrages erfüllt, sind entsprechende Ausgleichsansprüche auch dann nicht vertraglich abdingbar, wenn das Vertragsgebiet außerhalb Deutschlands, aber innerhalb der Europäischen Gemeinschaft liegt. 
Urteil des OLG Frankfurt vom 09. Februar 2016 – 11 U 136/14 (Kart)

2019-11-05T15:01:24+01:0005.11.2019|

EU-DSGVO steht Anspruch auf Buchauszug nicht entgegen

Dem Buchauszugsanspruch des Handelsvertreters kann vom Prinzipal nicht entgegenhalten werden, dass die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine Buchauszugserteilung ohne die Darlegung der Erforderlichkeit der Mitteilung jedes einzelnen Datums durch den Handelsvertreter verbiete. Zwar ist die DSGVO auf alle nach § 87 c Abs. 2 HGB vorzunehmenden Datenverarbeitungen anwendbar, jedoch ist die mit der Erteilung eines Buchauszuges verbundene Datenübermittlung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO erlaubt. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO gestattet die Übermittlung des Buchauszugs mit allen von § 87 c Abs. 2 HGB geforderten Angaben an den Handelsvertreter, denn bei der Übermittlung eines Buchauszugs nach § 87 c Abs. 2 HGB überwiegt das Vergütungsinteresse des Handelsvertreters ein gegenläufiges Interesse des Kunden des Prinzipals im Rahmen der Interessenabwägung.
Urteil des OLG München vom 31. Juli 2019 – 7 U 4012/17  

2019-10-09T16:30:20+02:0009.10.2019|

Auskunftsanspruch zur Konkretisierung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB

Dem Handelsvertreter steht ein Auskunftsanspruch zur Konkretisierung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB zu, wenn er nicht über eine entsprechende Kenntnis der Unternehmensvorteile verfügt. Der grundsätzliche Verweis auf die Berechnung anhand der Provisionsverluste, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände dafür sprechen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste übersteigen, widerspricht dem Sinn und Zweck der mit der Neufassung des § 89b HGB vorgenommenen Gesetzesänderung als Reaktion auf die EuGH-Rechtsprechung. Danach ist gerade die Höhe der Unternehmervorteile maßgeblich und der Handelsvertreter nicht auf die Höhe der ihm entgehenden Provisionsansprüche beschränkt.
Urteil des OLG Frankfurt vom 13. März 2019 – 12 U 37/18

2019-09-11T15:59:08+02:0011.09.2019|

Verjährungsfrist für Buchauszug läuft erst nach erfolgter Abrechnung

Die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Buchauszug beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die diesem zustehende Provision erteilt hat, da der Buchauszugsanspruch in dem Moment entsteht, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung erteilt. Wird eine solche Abrechnung jedoch nicht erteilt bzw. verweigert, beginnt die Verjährungsfrist für die Erteilung des Buchauszugs nicht zu laufen. Denn es gibt keinen Grund, den Handelsvertreter zu einem rein vorsorglichen Prozess zu zwingen, allein um die Verjährung des Buchauszugsanspruchs zu hemmen. Auch ist der Prinzipal im Hinblick auf die Verjährung nicht schutzwürdig, da er es selbst in der Hand hat, den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs mit Erteilung einer abschließenden Provisionsabrechnung fällig zu stellen und damit die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen.
Urteil des OLG München vom 17. April 2019  - Aktz. 7 U 2711/18

2019-07-17T09:52:29+02:0017.07.2019|

Provisionsanspruch bei Vermittlung dynamischer Lebensversicherungen

Vermittelt ein Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen mitursächlich auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind im Zweifel provisionspflichtig und dies auch über das Ende des Versicherungsvertretervertrages hinaus.
Urteil des BGH vom 20. Dezember 2018 - Aktz. VII ZR 69/18

2019-07-17T09:46:45+02:0013.06.2019|

Abgrenzung zwischen angestellter Tätigkeit und selbständiger Tätigkeit als Handelsvertreter

Zur Abgrenzung von Selbstständigen und Angestellten ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder Handelsvertreter noch alleine auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen. Entscheidend ist vielmehr gemäß der sog. Schwerpunkttheorie das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung.
Urteil des LAG Köln vom 13.02.2019 – Aktz. 9 Ta 229/18

2019-05-27T11:06:19+02:0007.05.2019|

Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers auch ohne Pflicht zur Kundendatenübertragung

Für die Anwendung des Ausgleichsanspruches gemäß § 89b HGB auf Vertragshändler ist einzig und alleine im Sinne einer Analogie maßgeblich, ob der Unternehmer einen Unternehmervorteil aus der Geschäftsbeziehung mit dem Vertragshändler gezogen hat. Denn es soll über die gezahlten „Provisionen“ hinaus ein Ausgleich dafür vom Unternehmer geschuldet sein, dass er aus den Geschäftsbeziehungen mit Kunden, die der Vertragshändler beigebracht hat, einen „Goodwill“ d.h. eine begründete Gewinnerwartung hat. Auf eine vertragliche Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung der Kundendaten an den Unternehmer bei Vertragsende kommt es insoweit nicht an.
Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 27. November 2018 – Aktz. 2 HK O 10103/12

2019-05-27T11:07:28+02:0009.04.2019|
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