Der Handelsvertreter behält grundsätzlich auch dann seinen Provisionsanspruch, wenn der vertretene Unternehmer das von ihm vermittelte Geschäft nicht ausführt, es sei denn der Unternehmer hat die Nichtausführung nicht zu vertreten. Bei der Beurteilung des Vertretenmüssens im Sinne von § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB sind die Interessen von Unternehmer und Handelsvertreter voneinander abzugrenzen. Denn die Treuepflicht ist keine einseitig den Unternehmer treffende Pflicht, vielmehr trifft den Handelsvertreter gegenüber dem Unternehmer seinerseits eine Treuepflicht.
Der Unternehmer trägt allerdings die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Nichtausführung auf Umständen beruht, die er nicht zu vertreten hat. Dabei kann der vertretene Unternehmer ohne Nachteile bei § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB auf die Zurückweisung einer aus Rechtsgründen unwirksamen Kündigung des Kunden (in diesem Fall ein Versicherungsnehmer) verzichten, wenn eine Beitreibung der Prämien (hier: wegen Staatenimmunität) absehbar aussichtslos gewesen wäre.
Der Unternehmer (in diesem Fall der Versicherer) kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten. Unterlässt der Versicherer in beider Hinsicht ausreichende Nachbearbeitungsmaßnahmen, muss er sich so behandeln lassen, als sei eine erfolgreiche Nachbearbeitung erfolgt und als sei der Provisionsanspruch des Vertreters endgültig entstanden.
KG Berlin, Beschluss vom 4. Juni 2021 Aktz. 2 U 5/18