Wenn in einem Handelsvertretervertrag die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für den Fall des Ausscheidens eines Geschäftsführers oder Gesellschafters aus der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierten Handelsvertreterin enthalten ist mit der weiter vereinbarten Wirkung, dass das Vertragsverhältnis durch Eintritt dieser auflösenden Bedingung beendet wird, erfüllen diese Regelungen  den insoweit maßgeblichen in der EU – Handelsvertreterrichtlinie enthaltenen Ausschlusstatbestand nicht.

Die in der Richtlinie hierzu enthaltene Bestimmung setzt voraus, dass der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis selbst beendet hat. Dies ist bei einer Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung seitens des Handelsvertreters der Fall. Im Hinblick darauf, dass der dortige Ausschlusstatbestand für das Entstehen eines Ausgleichsanspruches eng auszulegen ist und dass diese Richtlinienbestimmung nicht in einer Weise ausgelegt werden kann, die darauf hinausliefe, dass ein dort nicht ausdrücklich vorgesehener Grund für den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs hinzukommt – so der BGH mit Urteil vom 05. November 2020 Aktz. VII ZR 188/19, kann die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Eintritt einer zwischen den Vertragsparteien vereinbarten auflösenden Bedingung hingegen nicht als Beendigung des Vertragsverhältnisses seitens des Handelsvertreters  eingestuft werden. Dies gilt auch dann, wenn der Eintritt der auflösenden Bedingung vom Handelsvertreter beziehungsweise dessen Organen selbst herbeigeführt wird. Denn in derartigen Fällen wird das Vertragsverhältnis nicht unmittelbar durch rechtsgeschäftliches Handeln des Handelsvertreters, sondern durch den Eintritt der vereinbarten auflösenden Bedingung beendet.

 BGH, Urteil vom 05. November 2020 – VII ZR 188/19

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Handelsvertreterausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB geltend.

Die Klägerin, eine GmbH, war als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig. Im Nachtrag des zugrundeliegenden Agenturvertrags wurde vereinbart, dass der Vertrag  spätestens mit Ausscheiden eines Geschäftsführers bzw. Gesellschafters aus der Gesellschaft endet. Ein Ausgleichsanspruch solle gegeben sein, wenn der Agenturvertrag beendet wird und die sonstigen Voraussetzungen des § 89 b HGB vorlägen. Nachdem ein Gesellschafter und Geschäftsführer aus der GmbH ausschied, endete der Handelsvertretervertrag.

Ein Ausgleichsanspruch der Klägerin ist nicht gemäß § 92 Abs. 2 i.V.m. § 89b HGB aufgrund einer analogen Anwendung des § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen. Im Streitfall ist eine richtlinienkonforme Auslegung von § 89b Abs. 3 HGB, insbesondere von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB, im Lichte der Handelsvertreterrichtlinie 86/653/EWG geboten. Sie führt dazu, dass auch für § 89b Abs. 3 HGB das bei Art. 18 der Richtlinie 86/653/EWG maßgebende Analogieverbot gelten muss. Für die hier gegebene Konstellation, dass der Handelsvertretervertrag eine auflösende Bedingung für den Fall des Ausscheidens eines Geschäftsführers oder Gesellschafters aus der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierten Handelsvertreterin enthält und dass das Vertragsverhältnis durch einen vom Handelsvertreter herbeigeführten Eintritt dieser auflösenden Bedingung beendet wird, sieht Art. 18 Buchst. b) der Richtlinie 86/653/EWG entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keinen Ausschlusstatbestand vor. Dementsprechend scheidet auch eine analoge Anwendung von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB zum Nachteil der Klägerin aus.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 19. April 2018 – C-645/16, zur Auslegung von Art. 18 der Richtlinie 86/653/EWG ausgeführt, dass diese Richtlinienbestimmung als Ausnahme von dem Anspruch auf Ausgleich und auf Schadensersatz eng auszulegen ist und dass sie nicht in einer Weise ausgelegt werden kann, die darauf hinausliefe, dass ein dort nicht ausdrücklich vorgesehener Grund für den Ausschluss des Ausgleichs- oder des Schadensersatzanspruchs hinzukommt. Damit hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Regelung in Art. 18 der Richtlinie 86/653/EWG für nicht analogiefähig erachtet.

Für die hier gegebene Konstellation, dass der Handelsvertretervertrag die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für den Fall des Ausscheidens eines Geschäftsführers oder Gesellschafters aus der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierten Handelsvertreterin enthält und dass das Vertragsverhältnis durch Eintritt dieser auflösenden Bedingung beendet wird, sieht Art. 18 Buchst. b) der Richtlinie 86/653/EWG keinen Ausschlusstatbestand vor. Diese Richtlinienbestimmung setzt voraus, dass der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis beendet hat. Dies ist bei einer Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung seitens des Handelsvertreters der Fall. Im Hinblick darauf, dass Art. 18 Buchst. b) der Richtlinie 86/653/EWG als Ausnahme von dem Anspruch auf Ausgleich und auf Schadensersatz eng auszulegen ist und dass diese Richtlinienbestimmung nicht in einer Weise ausgelegt werden kann, die darauf hinausliefe, dass ein dort nicht ausdrücklich vorgesehener Grund für den Ausschluss des Ausgleichs- oder des Schadensersatzanspruchs hinzukommt, kann die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Eintritt einer zwischen den Vertragsparteien vereinbarten auflösenden Bedingung hingegen nicht als Beendigung des Vertragsverhältnisses seitens des Handelsvertreters im Sinne von Art. 18 Buchst. b) der Richtlinie 86/653/EWG eingestuft werden. Dies gilt auch dann, wenn der Eintritt der auflösenden Bedingung von dem Handelsvertreter beziehungsweise dessen Organen herbeigeführt wird. Denn in derartigen Fällen wird das Vertragsverhältnis nicht unmittelbar durch rechtsgeschäftliches Handeln des Handelsvertreters, sondern ipso jure durch den Eintritt der vereinbarten auflösenden Bedingung beendet.

Die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung ergibt sich allerdings im Streitfall nicht aus dem Unionsrecht selbst. Denn der Anwendungsbereich der Richtlinie 86/653/EWG beschränkt sich auf Warenvertreterverhältnisse (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG). Die Richtlinie ist auf Versicherungsvertreterverhältnisse nicht anwendbar.

Im innerstaatlichen Recht kann indes eine für bestimmte Sachverhalte gebotene richtlinienkonforme Auslegung auf eine nicht von der Richtlinie erfasste Konstellation zu erstrecken sein, wenn der nationale Gesetzgeber die beiden Fallgestaltungen parallel regeln wollte. So liegt der Fall hier bezüglich der Regelung in § 89b Abs. 3 HGB, die kraft der Verweisung in § 89b Abs. 5 HGB auch für Versicherungsvertreter gilt.

Soweit der Bundesgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung die Ausschlusstatbestände des § 89b Abs. 3 HGB für – begrenzt – analogiefähig erachtet hat, hält der Senat, der nunmehr für die Rechtsstreitigkeiten über die Vertragsverhältnisse der Handelsvertreter zuständig ist, daran im Hinblick auf Art. 18 der Richtlinie 86/653/EWG und auf das zu dieser Bestimmung ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. April 2018 – C-645/16, nicht fest, soweit eine analoge Anwendung von § 89b Abs. 3 HGB sich in Gegensatz zu dem bei Art. 18 der Richtlinie 86/653/EWG maßgebenden Analogieverbot setzen würde.

Für eine analoge Anwendung der Ausschlusstatbestände des § 89b Abs. 3 HGB besteht auch kein Bedürfnis, weil besondere Umstände des Einzelfalls, die nicht die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89b Abs. 3 HGB erfüllen, im Rahmen der allgemeinen Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB zu berücksichtigen sind und dort aufgrund einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Ergebnis ebenfalls dazu führen können, dass der Ausgleichsanspruch zu versagen ist.

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Das Urteil ist für eine Veröffentlichung in der Rechtsprechungssammlung HVR-Online vorgesehen, die unter http://www.cdh-wdgmbh.de bestellt werden kann.