Dem Handelsvertreter steht ein Auskunftsanspruch zur Konkretisierung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB zu, wenn er nicht über eine entsprechende Kenntnis der Unternehmensvorteile verfügt. Der grundsätzliche Verweis auf die Berechnung anhand der Provisionsverluste, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände dafür sprechen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste übersteigen, widerspricht dem Sinn und Zweck der mit der Neufassung des § 89b HGB vorgenommenen Gesetzesänderung als Reaktion auf die EuGH-Rechtsprechung. Danach ist gerade die Höhe der Unternehmervorteile maßgeblich und der Handelsvertreter nicht auf die Höhe der ihm entgehenden Provisionsansprüche beschränkt.

Urteil des OLG Frankfurt vom 13. März 2019 – 12 U 37/18

Die Richter des 12. Senats des OLG Frankfurt stellten zunächst fest, dass der Handelsvertreter bzw. im entschiedenen Fall die Vertragshändlerin entgegen der Auffassung des vertretenen Unternehmens bzw. Importeurin für den Ausgleichsanspruch auf die Auskunft angewiesen ist.

Maßgeblich seien gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB die Unternehmervorteile, und zwar nach der Neufassung des § 89b Abs. 1 HGB nicht mehr durch die Höhe der Provisionsverluste des Handelsvertreters beschränkt. Die Provisionsverluste stellten nur noch ein Kriterium im Rahmen der Billigkeitsprüfung gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB dar.

Da die auf Auskunft klagende Vertragshändlerin über eine entsprechende Kenntnis der Unternehmensvorteile nicht verfüge, stehe ihr der Auskunftsanspruch zu.
Der grundsätzliche Verweis auf die Berechnung anhand der Provisionsverluste, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände dafür sprechen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste übersteigen (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2017 – 16 U 171/15), widerspreche nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Sinn und Zweck der mit der Neufassung des § 89b HGB vorgenommenen Gesetzesänderung als Reaktion auf die EuGH-Rechtsprechung (Semen-Urteil vom 26.03.2009, C-348/07, Celex-Nr. 62007CJ0348). Danach sei gerade die Höhe der Unternehmervorteile maßgeblich und der Handelsvertreter nicht auf die Höhe der ihm entgehenden Provisionsansprüche beschränkt. Beide Kriterien seien grundsätzlich voneinander unabhängig und müssen sich nicht entsprechen. Da in der Praxis es dem Handelsvertreter kaum möglich sein werde darzulegen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste übersteigen, da dafür gerade Kenntnisse der internen Kalkulation und der internen Unternehmenssteuerung notwendig seien, würde so die europarechtskonforme Neufassung von § 89b HGB ausgehöhlt (vgl. auch Thume, BB 2017, 468).

Die auf Auskunft verklagte Importeurin könne sich auch nicht darauf berufen, die Auskunft sei ihr unmöglich bzw. unzumutbar. Die Beklagte kann als Importeurin
unschwer ihre Unternehmervorteile errechnen, indem sie den Deckungsbeitrag I (Rohertrag) durch Abzug des Einkaufspreises vom Verkaufspreis der benannten
Neufahrzeuge errechne. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, zu berücksichtigen seien auch der Stromverbrauch, Mitarbeiterkosten, Service, IT-Kosten etc., mache dies den Auskunftsanspruch jedenfalls nicht von vornherein unzumutbar. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auch auf Vorlage von Belegen habe die
Vertragshändlerin hingegen nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht. Der insoweit in der Berufung neu gestellte Antrag sei zulässig, aber unbegründet.

Eine solche Belegvorlagepflicht mit der Auskunft sei weder vertraglich vereinbart noch gesetzlich bestimmt. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 810, 2. Fall BGB nicht vor. Die Klägerin verlange keine Einsichtnahme in Urkunden, die ein zwischen ihr und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkunden, sondern Einsichtnahme in Urkunden, die ein zwischen der Beklagten und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkunden.

Im Übrigen bestehe eine Pflicht zur Vorlage von Belegen grundsätzlich nicht. Nur ganz ausnahmsweise werde in der Rechtsprechung eine Belegvorlagepflicht gemäß § 242 BGB zur Ergänzung einer zu erteilenden Auskunft angenommen, wenn der Gläubiger auf die Vorlage von Belegen angewiesen sei, weil die Erteilung einer Auskunft der Sache nach nicht geeignet sei, dem Berechtigten die erforderliche Klarheit zu verschaffen und dem Schuldner die zusätzliche Verpflichtung zugemutet werden könne.

Allerdings könne nach § 810 BGB – und Entsprechendes muss in besonderem Maß für einen aus § 242 BGB hergeleiteten Vorlageanspruch gelten – Einsichtnahme in Urkunden nur von demjenigen verlangt werden, der unter Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Belange ein berechtigtes Interesse an einer derartigen Urkundeneinsicht habe. Das setze aber voraus, dass der Vorlegungssucher diese Einsichtnahme zur Förderung, Einhaltung und Verteidigung seiner rechtlich geschützten Interessen benötige.

Es liege jedoch nicht der Ausnahmefall vor, dass bereits erteilte Auskünfte lückenhaft seien, der Auskunftsverpflichtete trotz entsprechender Hinweise zur Erteilung einer erschöpfenden Auskunft nicht bereit gewesen sei und der Auskunftsberechtigte hinreichende Anhaltspunkte vorgetragen habe, die einen höheren Anspruch wahrscheinlich erscheinen ließen.

Eine Auskunft wurde seitens der Beklagten noch nicht erteilt, entsprechend fehle ein Vortrag zur Lückenhaftigkeit der Auskunft und einer Wahrscheinlichkeit, dass höhere Ansprüche bestehen. Eine Belegvorlagepflicht bestehe daher jedenfalls derzeit nicht.

Download der Vollversion